Die Literaturwissenschaft reiht Georg Büchner unter den Epochenbegriff Realismus ein und schafft damit mehr Verwirrung als Erklärung. Die Figur Woyzeck auf der Bühne ist im Vergleich zu dem historischen durch und durch idealisiert und was bitte schön hat der mehrfach auftretende Narr mit seiner Märchensprache oder die Märchenparabel mit Realismus zu schaffen? Woyzeck verlässt die Kaserne nach Gutdünken, d.h. der Autor verwendet nicht die geringste Mühe im Hinblick auf einen ernstzunehmenden militärischen Kontext, was Herzogs Woyzeck-Film interessanterweise für verbesserungswürdig hält. Ein wirklicher Unteroffizier bzw. Tambourmajor war damals nicht weniger ein „armes Soldatenschwein“ als ein einfacher Soldat und keineswegs in der Lage eine Liebschaft mit „schön Gold“ flachzulegen. Mittlerweile hat man indes zugestanden, dass Büchner mit einem Fuß in der Romantik wurzelt – und zwar mehr noch in der französischen als in der deutschen. Übrigens ist auch der Menschenversuch bzw. das Ernährungsexperiment keineswegs realistisch zu verstehen. Es gab zwar zeitgenössische Ernährungsexperimente, aber erstens nicht mit psychisch fragilen Probanden und zweitens waren das (vergleichsweise) Massenversuche mit ganz klarem Erkenntnisinteresse: Soldaten möglichst billig, gleichzeitig aber ohne gesundheitliche Schäden zu ernähren. Kollateralschäden wie sie die Figur Woyzeck nach Ansicht des Sozialdrama-Ansatzes darstellt, wären also im Sinne der Experimente höchst unlogisch und daher tunlichst zu vermeiden. Was Georg Büchner seine Nebenfiguren (erst ab dem zweiten Handschriftenenturf) auf der Bühne mit Woyzeck anstellen lässt, ist Sadismus und sexuell konnotiert. Beleg dafür sind im Falle des Hauptmanns die merkwürdigen Gesprächsthemen beim Rasieren, im Falle des Doktors dessen Interesse für Woyzecks Ausscheidungen unmittelbar vor seiner Nase, was völlig dem widerspricht, was die Handlung eigentlich fordern sollte, einen gehörigen Abstand des Urinierenden vom Labor. Zudem weden beide, Hauptmann und Doktor als pädophil dargestellt.
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Cian (Donnerstag, 12 Dezember 2024 11:02)
Können Sie die Behauptung, der Hauptmann und der Doktor seien pädophil, belegen?
Christian Milz (Donnerstag, 12 Dezember 2024 15:31)
Hauptmann: In der Szene, wo Woyzeck den Hauptmann rasiert, "kommt ihm die Liebe", wenn er den weißen Strümpfen so nachsieht, wie sie über die Gassen springen. Kurz vorher hat ihn Woyzecks Bibelzitat "Lasset die Kindlein zu mir kommen" ganz aus der Fassung gebracht. Er hat einen Sarkasmus herausgehört.
Doktor: Als er Woyzeck zurechtweist, weil selbiger an die Wand gepisst habe, sagt er: "Ich streckte gerade die Nase zum Fenster hinaus und ließ die Sonnenstrahlen hineinfallen, um das Niesen zu beobachten". Damit das verschlüsselt, was in der früheren Entwurfsstufe heißt: "Ich streckt grad mei Kopf hinaus zwischen zwei Blattläuse, die sich begatteten." (Faksimile) Das würden wir heutzutage als Kinderpornografie bezeichnen. Auch die als unleserlich behauptete Bemerkung Woyzecks zu dem alten Mann und dem jungen Kind "He! Hopsa! Arm Mann, alt Mann! Arm Kind! Junge Kind" Rege und Fass" zielt in diese obszöne Richtung. Man muss sich klar machen, dass solche Skandale wie Jimmy Savile, Jeffrey Epstein und Puff Diddy, zu Büchners Zeit auch an der Tagesordnung waren, aber niemand darüber laut gesprochen hat. Verdeckt aber Goethe in seinem "Erlkönig" und Büchner hat damit die Dramenform gesprengt. Im Klartext kann man das in "Dantons Tod" Szene I,2 (Souffleur und Frau) nachlesen, schon da kommt der Ruf nach einem Messer. Margreth bzw. Marie im "Woyzeck" dürften das Problem, dass man dafür Kinder braucht, (wofür Epstein und Ghislaine Maxwell gesorgt haben), für die "gekrönten Häupter" usw. gelöst haben, wofür Woyzeck sie hinrichtet. Anklage ist die Märchenparabel der Großmutter (und die Reinigungslieder vor der Exekution nicht zu vergessen)