Woyzeck-Quellen
Die Woyzeck-Rezeption stützt sich immer stark noch auf historische Quellen, wie die Gerichtsgutachten zeitgenössischer Mordfälle, zeitgenössische Texte zu Medizin usw. Gideon Stiening spricht in seiner umfangreichen Büchner-Analyse sogar von Quellenfetischismus. All diese Sachtexte sind für einen ästhetische Analyse und infolgedessen auch für eine Interpretation belanglos. Nicht belanglos ist dagegen die ältere und zeitgenössische Literatur.
Dass Georg Büchners Woyzeck ausgiebig die Bibel zitiert, ist bekannt, wird aber bei der Interpretation übergangen, weil man den Autor als Materialist einordnet bzw. verstanden sehen will. Zudem bezieht sich Büchner auf verschiedene Weise auf Shakespeares Hamlet. Einmal, indem er sich an dessen Form oerientert: Zitat der Geisterscheinung in der Exposition, entlarvendes Spiel im Spiel ('Theateraufführung im Hamlet, Großmuttermärchen im Woyzeck) und schließlich die beiden Beichten bzw. vergeblichen Gebetsversuche. (Dort der König, hier Marie). Daneben gibt es offensichtliche Anspielungen auf Hamlet im Woyzeck: Igel und rollender Kopf beziehen sich auf Geisterscheinung und Totengräberszenen, desgleichen der hohle Boden in der Woyzeck-Exposition, Büchner verwendet das Symbol Sonne wie Shakespeare nicht im Hinblick auf Licht und Bewusstsein, sondern als Code für Unzucht. Des weiteren findet sich im Mordkomplex des ersten Handschriftenentwurf eine Anspielung auf Goethes Faust, wenn Louis (der hier noch nicht Woyzeck heißt) bei Margreth (später Louise bzw. Marie) eine rote Schnur um den Hals wahrnimmt. Übrigens weist bereits der Name Margreth auf das Gretchen bei Goethe.
Mehr dazu in: Georg Büchner. Dichter, Spötter, Rätselsteller. Entschlüsselungen, Wien 2012.
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