Immer noch gibt Georg Büchners literarisches Werk Rätsel auf. Insbesondere, aber nicht nur, das Woyzeck-Fragment: Blutwurst sprach, "komm Leberwurst", was soll das? Was überhaupt hat der Narr in dem vermeintlichen Sozialdrama zu suchen? Und was hat der Name Zickwolf zu bedeuten? Warum kauft der aktive Soldat Woyzeck ein Messer? Was ist der Sinn der Märchenparabel? Vor allem aber: Warum diese vorsätzliche, gleichsam rituelle Hinrichtung der weiblichen Hauptfigur? Sie macht aus Woyzeck einen Mörder, Sozialdrama hin oder her. Hätte Büchner den historischen Woyzeck rehabilitieren wollen, nichts lag ihm ferner, dann dürfte der Mordkomplex nicht so dramaturgisch im Vordergrund stehen. Und dort, wo in Büchners Fragment der Mord stattfindet, gibt es weder einen Hauptmann noch einen Doktor, also auch keine zusätzlichen Dienste und kein Ernährungsexperiment. Bis heute steht die Büchner-Forschung diesen Fragen ratlos gegenüber. Darüberhinaus ignoriert sie die merkwürdigen Ähnlichkeiten bei Büchners Figuren. Warum ist der französische Revolutionär Georg (!) Danton Büchners Woyzeck und gleichfalls dessen Lenz mitunter zum Verwechseln ähnlich? Und schließlich bleiben noch die ungestellten Fragen zu Büchners Biografie. Politisch gesehen war der Hessische Landbote ein Misserfolg. Aber war Büchner nicht vielleicht wichtiger, außer Landes gehen zu müssen? Um fernab von dem verhassten Großherzogtum Hessen in Straßburg die Geliebte und ein neues Studienfach jenseits der Fußsstapfen seines Vaters zu finden?
Christian Milz: Georg Büchner. Dichter, Spötter, Rätselsteller. Entschlüsselungen, Passagen Verlag, Wien 27 €